Welche Tracks haben Dir denn gefallen? Herr RossiDas scheint mir so wie die Frage nach den wichtigsten Prog-Singles. Northern Soul ist untrennbar mit 7“-Singles verbunden, aber Alben? („Searching For The Young Soul Rebels“ von Dexys Midnight Runners kennst Du sicher schon.) Genau. Wobei es natürlich hörenswerte Alben von einschlägigen Künstlern/Gruppen gibt, auch wenn dieses Format für die Szene nur eine untergeordnete Rolle spielt (Kompilationen haben da noch einen viel wichtigeren Stellenwert). („Searching For the Young Soul Rebels“ hat mit Northern Soul im engeren Sinne auch nichts zu tun, man könnte ansonsten auch gleich noch Soft Cell, Paul Weller und Take That empfehlen.;-) ). Ohne Priorisierung, nur ein paar Beispiele: The O’Jays – Soul Sounds Linda Jones – Hypnotized The Impressions – Keep On Pushin‘ The Isley Brothers – This Old Heart Of Mine Major Lance – Um, Um, Um, Um, Um, Um Jackie Lee – The Duck Archie Bell & The Drells – Tighten Up The Exciters – Caviar & Chitlins Bobby „Blue“ Bland – The Soul of a Man Chuck Jackson – Any Day Now Ben E. King – What Is Soul The Artistics – I’m Gonna Miss You The Dells – There Is Ich würde an Deiner Stelle aber besser mit einschlägigen Kent/Goldmine/-Kompilationen anfangen. Was ist denn eigentlich die Faszination an Northern Soul? Das ist ja eigentlich kein Musikstil sondern ja was denn, ein „movement“? Und da wurden eben gewisse Spielarten des Soul bevorzugt gehört. Verstehe ich das soweit korrekt? Meine Eingansfrage bezieht sich dann darauf, warum immer wieder von „Northern Soul“ die Rede ist, wenn’s dabei bloss um Musik geht (und nicht um diese englische Szene, deren Stil etc.) – warum nicht einfach direkt darüber reden, welche Soul-KünstlerInnen man am liebsten mag, welches die besten Einstiegsalben etc. Dabei kann ja immer noch nach Southern, Motown, Philly und was weiss ich unterschieden werden, und falls eine Single, ein Album in der Northern Soul-Szene besonders beliebt war (ist? Gibt’s die denn noch?) kann man das auch anmerken vom Kopf wieder auf die Füsse, gewissermassen. Oder verstehe ich da etwas völlig falsch? In England war bei den Mods der frühen bis mittleren 60er Jahre schwarze nordamerikanische Musik sehr beliebt. In den von Mods frequentieren Club im Londoner Westend und Soho, aber etwas später auch in Clubs wie dem Twisted Wheel in Manchester wurde R&B und Soul gespielt. Beliebt waren die Sounds der Label Stax, Atlantic und Tamla Motown. Mitte der 60er Jahre waren schnelle tanzbare Nummern gerade aus dem Hause Motown sehr angesagt. Interpreten wie die Supremes, die Four Tops, die Temptations, Marvin Gaye, Smokey Robinson oder Martha Reeves waren die Idole der Mods und auch der ersten Skinheads (deren Stil sich ab Mitte der 60er Jahre langsam aus den Hard Mods entwickelte). Gegen Ende der 60er Jahre kamen aber immer weniger Soulplatten, die in diesem typischen Sound aufgenommen waren, über den Atlantik. In den USA ging der Trend eben zu Funk und anderem. Gerade in Nord-England ließ aber die Nachfrage nach schnellen gradlinigen Soul Stücken im mitt-60er Motown Sound nicht nach. Deswegen fingen viele DJs an, zunächst in England nach unbekanntem Material in diesem Sound zu suchen und wurden auch fündig, überall tauchten Singles kleinerer Labels und unbekannter Interpreten auf, die den Motown-Sound imitierten oder einfach 'reinpaßten'. Diese Scheiben fanden schnell ihren Weg auf die Plattenteller in den Soulclubs. Auch unbekannte Stücke bekannter Künstler wie Edwin Starr, Jackie Wilson oder Ray Charles wurden ausgegraben. Viele DJs begannen nun auch per Post in den USA Schallplatten zu bestellen. Einige von ihnen, die wohlhabend genug waren, machten sich auf die Reise in die USA auf, um dort in Plattenläden, Secondhandgeschäften, bei Plattenlabels und in Lagerhäusern nach brauchbarem Material zu fahnden. Die Folge war, daß tausende Jugendliche in Nordengland während der 70er Jahre zu völlig unbekannten Soul Singles aus den 60er Jahren tanzten, die in den USA ökonomische Flops waren und selbst vielen amerikanischen Soulfans unbekannt waren. Dies fand in Clubs wie dem Golden Torch in Stoke-on-Trent, dem Casino in Wigan oder dem Mecca in Blackpool statt. Aber auch in vielen anderen Clubs im Norden Englands wurde dieser Sound gespielt (z. Im Va-Va in Bolton, in den Catacombs in Wolverhampton, im Locarno in Birmingham u.v.a.). Das nächtelange Durchtanzen ist natürlich sehr anstrengend, deswegen hatte sich schon in den frühen 60er Jahren in den Soul- und RnB-Clubs Londons das Einnehmen von aufputschenden Drogen etabliert. Diese Mod-Sitte wurde von vielen der Northern Soulies weiter betrieben. Auch wenn nicht jeder Soulfan in Nordengland Amphetamine einwarf, so war es doch bei der großen Mehrheit weit verbreitet. Dies zog eine verstärkte Aufmerksamkeit der Behörden und Presse nach sich. Seit Mitte der 60er Jahre wurden Soulclubs in Pressekampagnen als Drogenhöhlen diffamiert und Polizeirazzien waren bis Ende der 70er Jahre keine Seltenheit. Eine Besonderheit im Unterschied zu anderen Stilen ist, daß es keine Interpreten gibt, deren gesamtes Werk als 'Northern Soul' bezeichnet werden kann. Es sind immer nur bestimmte Stücke eines Interpreten, die in den typischen Northern Soul Stil passen. Die Folge war, daß die Single, das wichtigste Tonträgerformat für die Northern Soul Szene war (neben der Tatsache, daß Vinylsingles das Hauptveröffentlichungsformat für Musik in den 60er Jahren war). Seit den 70er Jahren wurden dann auch eine Reihe Sampler mit Soulstücken verschiedener Interpreten veröffentlicht. Fließbandarbeiter im Blaumann trifft man heute seltener – doch ihr proletarisches Erbe ist lebendig, etwa in der Subkultur des „nördlichen Soul“. Northern Soul ein Film von Elaine J. Constantine mit Josh Whitehouse, Elliot James Langridge. Inhaltsangabe: In den 1970er Jahren wachsen John Clark (Elliot James Langridge) und sein Kumpel Matt (Josh Whitehouse) in einer kleinen Stadt in Nordengland auf. Weil der Alltag durch demütigende. Bis auf ganz wenige Ausnahmen gibt es jedoch fast keine LPs von nur einem Einzelinterpreten, die auf Northern Soul Wiederveröffentlichungs-Labeln erschienen sind. In den 70er Jahren entwickelte sich Northern Soul in England zu einem Massenphänomen, welches auch eigene Normen kannte. Zum Beispiel war es verpönt, Nachpressungen in den Clubs zu spielen (es wurden aufgrund der großen Nachfrage viele Singles 'schwarz', aber auch offiziell oder von Lizenznehmern nachgepreßt). Auch galt es unfein, allzu bekannte Soulstücke oder aktuelle schwarze Musik (70er Jahre Soul, Funk, Phillysound) aufzulegen. Auch die Musik weißer Interpreten, war (obwohl es auch einige gute Tracks von Weißen wie R. Dean Taylor gab) recht umstritten. Auch das Abspielen anderer 'passender' Sixties-Musik wie z.B. Gewisse Beat-Stücke führte bei einigen Hardcoresoulies zu Naserümpfen. Dadurch entstanden spätestens ab Mitte der 70er Jahre rivalisierende Fraktionen in der nordenglischen Soul-Szene, welche sich um bestimmte Clubs gruppierten. Das Wigan Casino war zum Beispiel sehr stark auf Sixties Soul abonniert, es wurde fast nie Phillysound, Funk oder Früh-Disco gespielt. Trotzdem war man für Soul-Puristen und das rivalisierende Blackpool Mecca höchst angreifbar, denn im Wigan Casino wurden gelegentlich Nachpressungen und auch weiße Popstücke wie das Instrumental 'Hawaii 5-0' von den Surfaris aufgelegt. Das Blackpool Mecca dagegen zog sich den Widerwillen vieler Wigan Casino Stammgäste zu, da dort Mitte der 70er Jahre zunehmend Funk, Disco und zeitgenössische Soulmusik gespielt wurde. Trotzdem gab es natürlich Soulies, die beide Clubs frequentierten. Mitte der 70er war Northern Soul eine so kaufstarke Szene, daß nicht nur (wie schon oben erwähnt) zahlreiche beliebte Northern Soul Singles wieder nachgepresst wurden, nein, es wurden sogar einige Stücke neu aufgenommen. Zum Teil waren das Neuaufnahmen alter Hits wie ' Skiing in the Snow' der englischen Studiogruppe Wigan's Ovation oder maßgeschneiderte Neukompositionen wie ' Footsee' (ein grauenhaftes Stück - ebenfalls von Wigan's Ovation) oder ' Reaching for the Best' von den Exciters. Auch diese Praxis führte natürlich bei den Puristen für zunehmendes Nasenkräuseln. Es hatte sich inzwischen auch ein typischer Tanzstil entwickelt. Dieser zeichnete sich dadurch aus, daß er trotz seiner Schnelligkeit gleitend und äußerst leichtfüßig aussieht. Die wahren Könner sorgten durch 'backdrops' (kurzes nach hinten fallen lassen um dann sofort wieder aufzuspringen), 'Spins' (Mehrfache Drehung auf der Stelle) und andere waghalsige Einlagen für Aufsehen. Auch ein (aus heutiger Sicht) etwas alberner Kleidungsstil entwickelte sich. Waren bis in die frühen 70er Jahre Mohair-Anzüge, Loafers, Brogues, Brutus- und Ben Sherman-Hemden, Sta-Prest-Hosen recht angesagt, so kleidete man sich bald in außerordentlich weiten Schlaghosen und Träger-Unterhemden (gerne mit Soul-Aufnähren versehen). Zusammen mit den im Norden weit verbreiteten Schnurrbärten und den modischen langen Haaren ergab dies einen recht merkwürdigen Look. In den 80er Jahren wurde die Musik auf den Northern Soul Veranstaltungen etwas vielfältiger. Nicht nur die üblichen motownähnlichen Aufnahmen wurden gespielt, sondern auch Modern Soul, RnB, Soul-Balladen und Funk wurden aufgelegt. Die Pionierarbeit, die das Blackpool Mecca gegen starke Widerstände in den 70er Jahren geleistet hatte, trug also Früchte. In den 80er Jahren wurde auch eines der wichtigsten Northern Soul Reissue Labels gegründet: Kent Records. Hier wurde mit Sachkenntnis und in guter Qualität eine Anzahl wichtiger Northern Soul Sampler veröffentlicht. Inzwischen hat sich Kent zu einem weltweit wichtigen Label für afroamerikanische Musik entwickelt: Hier erscheinen inzwischen auch viele Scheiben mit Deep Soul, RnB und Soulballaden. In den 90er Jahren trat ein weiteres wichtiges Soullabel in England auf den Plan: Goldmine Records. Dieses Label ist immer noch (inzwischen in weit stärkeren Maße als Kent) mit der Northern Soul Szene verbunden. Allerdings machen einige der dort in großer Zahl erschienenen Sampler einen etwas lieblosen Eindruck (auch wenn man immer noch viele 'Nuggets' bei Goldmine findet). Durch die musikalische Ausweitung, die Northern Soul seit den 70er Jahren erfahren hat, betätigt sich Goldmine auch als Reissue Label in den Bereichen Funk, R&B und Modern Soul. In Deutschland wurde Northern Soul vor allem seit Mitte der 80er Jahre durch die Mod- und die Scooterist-Szene popularisiert. Auch einige traditionelle Skinheads wurden hierzulande vom Northern Soul Fieber gepackt und man erinnerte sich daran, daß die originalen britischen Skins zwischen 1967 und 1971 nicht nur zu Rocksteady und Reggae, sondern auch zu Soul getanzt hatten. Mit dem Grover-Sublabel V.O.R. Und dem Single-Label Soulfalt werden inzwischen sogar Northern Soul Nachpressungen auf deutschen Labels veröffentlicht. Es wurden auch viele Normen der britischen Northern Soul Szene in Deutschland übernommen. Bei Nightern CDs aufzulegen ist sehr, sehr verpönt und wird überhaupt nicht gern gesehen. Vinyl ist sowas wie eine Vorschrift, am höchsten angesehen sind Originalpressungen, aber man wird auch nicht sofort verhaftet, wenn man Nachpressungssingles oder Vinylsampler spielt, was jedoch nicht gut fürs Image ist. Außerdem haben viele DJs die Angewohnheit möglichst rare Stücke zu spielen. Nicht ganz so streng ist man auf den Scooterist Parties, auf denen ja auch gerne andere Stile wie Ska, Mod-Beat oder Disco aufgelegt werden (in den frühen 90er Jahren waren bei deutschen Scooterist Parties und Runs auch House und gelegentlich sogar Schlager beliebt). Der gleitende leichtfüßige Northern Soul Tanzstil ist auch ein Muß, obwohl natürlich bei Nightern, die in innerstädtischen Vergnügungsvierteln stattfinden, die Laufkundschaft tanzt, wie sie will (was natürlich bei den Puristen mal wieder für Augenbrauenzucken sorgt). Inzwischen ist Northern Soul ein weltweites Phänomen. Obwohl die größte Szene und die besten Allnighter immer noch ihre Heimat in England haben, gibt es inzwischen in vielen wohlhabenderen Industriestaaten größere und kleinere Northern Soul Szenen: USA, Kanada, Schweden, Italien, Australien etc.
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